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2025年10月12日 (日)

Franz Borkenau, Der Übergang vom feudalen zum bürgerlichen Weltbild (1934)Ⅱ [Deutscher Artikel]

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Bitte erläutern Sie den Vorschlag von ChatGPT bezüglich „der Wiederverknüpfung von Borkenaus Werk mit den ‚Theorien der wissenschaftlichen Revolution‘ des 21. Jahrhunderts (in Bezug auf Latour, Shapin, Shapin usw.)“.



Antwort von ChatGPT
Das ist eine ausgezeichnete Perspektive.
Borkenaus „Feudal Worldview to Civic Worldview” war eine „Sozialgeschichte der wissenschaftlichen Revolution”, die in den 1930er Jahren ihrer Zeit voraus war. Wenn man sie im Zusammenhang mit den späteren Entwicklungen im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert liest – nämlich „Science Studies (SSK)”, „konstruktivistische Wissenschaftsgeschichte” und „Actor-Network Theory (ANT)” –, wie sie von Bruno Latour, Steven Shapin und Simon Schaffer vorangetrieben wurden, wird ihr Pioniercharakter noch deutlicher. Im Folgenden ordne ich diese Zusammenhänge in vier Phasen.


I. Borkenaus ursprünglicher Horizont: Die „wissenschaftliche Revolution“ als gesellschaftliche Totaltransformation

Franz Borkenaus Der Übergang vom feudalen zum bürgerlichen Weltbild (1934) antizipierte viele der zentralen Fragestellungen der heutigen Wissenschaftsforschung.
Er deutete die Entstehung der modernen Wissenschaft nicht als rein intellektuellen oder erkenntnistheoretischen Prozess, sondern als Ausdruck des Übergangs vom Feudalismus zur bürgerlichen Produktionsweise, also als Umwandlung der gesamten gesellschaftlichen Ordnung.

  • Von der Kontemplation zur Produktion:
    Die Natur, früher Gegenstand metaphysischer Betrachtung, wird zur Maschine, die bedient und beherrscht werden kann.

  • Parallele moralische und rechtliche Veränderungen:
    Der Aufstieg von Naturrecht, Vertragstheorie und protestantischer Ethik lieferte das moralisch-juridische Fundament des neuen Weltbildes.

  • Das neue Erkenntnissubjekt:
    Der wissenschaftliche Beobachter wird als rationaler, autonomer und gesellschaftlich produktiver Akteur neu definiert – kein kontemplativer Mönch mehr, sondern ein bürgerlicher Handelnder, eingebettet in ein System von Austausch, Verifikation und öffentlicher Vernunft.

Damit entwarf Borkenau eines der frühesten Modelle einer „wissenschaftlichen Revolution“ als sozialer Revolution, lange bevor Kuhn, Shapin oder Latour die Soziologie des Wissens formalisierten.


II. Wiederkehr im späten 20. Jahrhundert: Konstruktivismus und Soziologie des wissenschaftlichen Wissens

1. Steven Shapin & Simon Schaffer: Die Mikro-Übersetzung von Borkenaus Makromodell

In Leviathan and the Air-Pump(1985) interpretierten Shapin und Schaffer den Streit zwischen Boyle und Hobbes im 17. Jahrhundert als soziales Drama epistemischer Autorität.
Ihre These, dass experimentelle Wissenschaft auf Vertrauen, Höflichkeit und „gentlemanly ethos“ beruht, spiegelt Borkenaus Einsicht wider, dass wissenschaftliche Rationalität aus bürgerlichen Formen der Kooperation und Verifikation hervorgeht.

Während Borkenau in Kategorien von „Weltbildern“ und „Produktionsweisen“ dachte, übersetzten Shapin und Schaffer diese in mikroskopische Praktiken des Laboralltags – eine Umsetzung des borkenauischen Modells auf der Ebene der wissenschaftlichen Praxis.

2. Steven Shapin:A Social History of Truth(1994)

In seinem späteren Werk zeigt Shapin, dass das Wahrheitsideal der Wissenschaft des 17. Jahrhunderts auf den sozialen Hierarchien und Vertrauensstrukturen der englischen Gentleman-Kultur beruhte.
Die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft war somit nicht universell rational, sondern sozial situiert.
Diese Analyse steht in direkter Linie zu Borkenaus Versuch, Ethik, gesellschaftliche Position und Erkenntnisformen im Rahmen der frühneuzeitlichen Gesellschaft miteinander zu verknüpfen.


III. Bruno Latour: Netzwerke, Hybride und die Dekonstruktion der Moderne

Bruno Latours Arbeiten – von La science en action  (1987) bis Nous n’avons jamais été modernes(1991) – führen Borkenaus makrosoziologisches Programm in eine mikropolitische Analyse materieller und symbolischer Netzwerke über.

Latour lehnt die klassische Trennung von „Natur“ und „Gesellschaft“ ab und beschreibt die wissenschaftliche Moderne als Geflecht von hybriden Netzwerken menschlicher und nichtmenschlicher Akteure (Aktanten).
Instrumente, Maschinen und Texte sind in diesem Sinne keine passiven Medien, sondern handelnde Elemente der Wissensproduktion.

Analytische Dimension Franz Borkenau (1934) Bruno Latour (1990er)
Zentrales Problem Übergang sozialer Ordnungen (feudal → bürgerlich) Moderne Trennung von Natur/Gesellschaft
Methode Makrohistorische Synthese (Ökonomie, Religion, Ethik) Mikro-Netzwerkanalyse der Aktanten
Wissenschaftsbegriff Produkt von Klasse und Produktionsstruktur Ergebnis heterogener Assemblagen
Form der Kritik Ideologiekritik der bürgerlichen Rationalität Ontologische Kritik der Moderne
Gemeinsame Basis Wissenschaft und Gesellschaft als ko-konstitutiv Wissenschaft und Gesellschaft als ko-produktiv

Latours Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) kann somit als mikrotechnologische Neubeschreibung von Borkenaus sozialhistorischer These gelesen werden.
Was bei Borkenau als Struktur der Macht und Produktion erschien, wird bei Latour als Netz von materiellen und semantischen Vermittlungen sichtbar – Laborgeräte, technische Infrastrukturen und Diskurse übernehmen die sozialen Funktionen, die Borkenau makrogeschichtlich analysierte.


IV. Erneuerung im 21. Jahrhundert: Jenseits des Modells der „wissenschaftlichen Revolution“

Im 21. Jahrhundert wurde der Begriff der „Scientific Revolution“ selbst kritisch relativiert.
Doch Borkenaus strukturelle Einsichten wirken in drei zentralen Forschungslinien der Gegenwart fort.

1. Geopolitik und Situiertheit des Wissens

Theoretikerinnen wie Donna Haraway, Sandra Harding und Latour definieren wissenschaftliches Wissen als situiert und verkörpert, nicht als universell.
Borkenaus Verknüpfung von sozialer Position (Klasse, Beruf, Ethos) und Wissensform antizipiert diese „positional epistemology“.
Die Leitfrage lautet heute nicht mehr Was ist Wissenschaft?, sondern Wessen Wissenschaft – und unter welchen historischen Bedingungen?

2. Die Hinwendung zur materiellen Kultur und Praxis

Wissenschaftshistoriker wie Andrew Pickering und Hans-Jörg Rheinberger rücken die materiellen Praktiken, Instrumente und Aufzeichnungsmedien der Forschung in den Mittelpunkt.
Ihre Vorstellung der Wissenschaft als „Maschinerie der Produktion“ entspricht unmittelbar Borkenaus Idee einer „Manufaktur des Wissens“, die Erkenntnis mit ökonomisch-technischen Strukturen verbindet.

3. Die Pluralisierung der Moderne

Latour und John Law sprechen von „multiple modernities“ und „heterogener Ingenieurskunst“, wodurch sie Borkenaus eurozentrisches Modell („feudal → bürgerlich“) pluralisieren.
Dennoch behalten sie seinen Grundgedanken bei: wissenschaftliche Rationalität ist eine historische Form der Weltordnung, keine universale Notwendigkeit.
In diesem Sinne wird Borkenau zum Bezugspunkt für heutige post-westliche Wissenschaftsgeschichten, die indische, chinesische, islamische oder afrikanische Wissensformen einbeziehen.


V. Schluss: Von Borkenau zu Latour – eine strukturelle Kontinuität

Dimension Borkenau (1934) Wissenschaftsforschung des 21. Jh. (Shapin, Latour, Haraway u.a.)
Wissenschaftsbegriff Soziales Produkt (verknüpft mit Ökonomie, Religion, Ethik) Sozial konstruiertes und materiell vermitteltes Wissen
Methodologie Makrosoziologische Synthese Mikroanalyse von Praxis, Materialität, Netzwerken
Zielrichtung Erklärung des Aufstiegs des modernen Weltbildes Kritik und Dezentrierung des modernen Weltbildes
Kontinuität Ko-Konstitution von Wissen und sozialer Ordnung Ko-Produktion von Wissen und heterogenen Akteuren

Abschließende Bewertung

Franz Borkenaus Übergang vom feudalen zum bürgerlichen Weltbild stellt eine frühe Protosozialgeschichte des wissenschaftlichen Wissens dar.
Sein Versuch, Wissenschaft als Ausdruck moralischer Ökonomie und gesellschaftlicher Transformation zu begreifen, antizipiert die Kernfragen der heutigen Science and Technology Studies (STS).

Im 21. Jahrhundert besteht die fruchtbarste Weise, Borkenaus Erbe zu übernehmen, nicht darin, ihn als historisches Relikt der 1930er Jahre zu betrachten,
sondern darin, sein makrosoziales Modell mit den mikropraktischen und netzwerktheoretischen Analysen von Latour, Shapin und anderen zu verbinden.

Eine solche Synthese – die Borkenaus historische Tiefendimension mit den relationalen und materiellen Einsichten der modernen Wissenschaftsforschung vereint –
würde das verwirklichen, was Borkenau selbst nur vorahnen konnte: eine Totale Geschichte des Wissens, die Produktion, Glauben, Technik und Macht in einem dynamischen Feld zusammenführt.

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