Das „Ding an sich“ als sprachlicher Akt der Negation
— Über die Äußerlichkeit der Sprache und die Genese des Seins —
I. Problemstellung
Immanuel Kant führte in der Kritik der reinen Vernunft den Begriff des Ding an sich als einen negativen Begriff (Grenzbegriff) ein, der die unerreichbare Grenze der menschlichen Vernunft bezeichnet. Ebenso verweist Sigmund Freuds Begriff des Unbewussten (das Unbewusste) auf eine unbekannte Sphäre außerhalb des Bewusstseins, die dennoch das Verhalten und die Sprache des Menschen bestimmt. Beide Begriffe deuten auf das „Nicht-Erkennbare“ oder „Nicht-Aussprechbare“ hin.
Doch schon der Akt, „das Nicht-Aussprechbare“ zu benennen, ist selbst eine sprachliche Handlung – ein Akt des Sagens. Wenn dies zutrifft, dann hat der Augenblick, in dem Kant oder Freud erklären, dass man etwas „nicht“ erkennen oder aussprechen könne, bereits eine Positivierung im Raum der Sprache vollzogen. Die Sprache konstruiert die Welt – selbst durch Negation.
Diese Arbeit untersucht dieses Paradox, um die These „Der Mensch kann nicht aus der Sprache heraustreten“ nicht als Ausdruck einer Grenze, sondern als Prinzip der Seinsgenese neu zu denken.
II. Der sprachliche Negationsakt – Die Struktur des „Nicht“
Negation in der Sprache ist nicht die bloße Bezeichnung eines Mangels oder Nichts, sondern eine syntaktische und semiotische Operation.
Wenn jemand sagt: „Das ist kein Tisch“, kann er nicht verneinen, ohne zuvor den Begriff „Tisch“ aufzurufen. Jede Negation trägt den Schatten der Bejahung in sich. Die Aussage „Das ist kein Tisch“ schafft in der Welt eine neue Position des Seins – „etwas anderes als ein Tisch“.
Daher sind negative sprachliche Akte (wie „das Unbewusste“, „das Ding an sich“, „unaussprechlich“) doppelt wirksam: Sie verweisen auf das Außen der Sprache und erzeugen dieses Außen zugleich im Inneren der Sprache. Die Sprache besitzt die Fähigkeit, sogar das Unaussprechliche „als ob“ (als ob) existieren zu lassen. In diesem Sinne ist Negation nicht bloß eine Grenze, sondern ein performativer Akt, der Sein hervorbringt.
III. Kants „Ding an sich“ und die Performativität der Sprache
Für Kant bezeichnet das Ding an sich die „vorausgesetzte Grenze“, die hinter den Erscheinungen liegt, jedoch niemals erfahren werden kann. Aber schon der Akt, es zu benennen, stellt einen sprachlichen Moment dar, in dem die Vernunft ihr eigenes Außen konstituiert. Kant beabsichtigte die Selbstbegrenzung der Vernunft, doch indem er ihre „Grenze“ benennt, objektiviert die Sprache diese Grenze selbst.
Damit verweist die Sprache nicht nur auf das Äußere der Vernunft, sondern erzeugt es. Das Ding an sich kann folglich nicht nur als erkenntnistheoretische Grenze, sondern als sprachliche Spur, durch die die Vernunft ihren eigenen Horizont hervorbringt, neu gelesen werden. Die Sprache besitzt – selbst in der Form der Negation – die konstitutive Kraft, die Ebene des Seins zu gestalten.
Anm. 1. Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, B307ff. – Das Ding an sich ist das, was wir nicht erkennen können, das die Vernunft aber notwendig als jenseits der Erscheinungen denken muss.
Anm. 2. Jacques Derrida, De la grammatologie (1967). – Derrida zeigt, dass „die Sprache der Präsenz vorausgeht“ und dass selbst negative Begriffe innerhalb sprachlicher Strukturen vergegenständlicht werden.
IV. Freuds „Unbewusstes“ und die Strukturierung durch Sprache
Was Freud als das Unbewusste „entdeckt“ hat, ist in Wirklichkeit eine sprachliche Hypothese, die das Außen des Bewusstseins bezeichnet. Seit dem Moment, in dem das Wort Unbewusstes eingeführt wurde, kann der Mensch sich nicht mehr ohne dieses Wort über sich selbst verständigen. Hier klingt Jacques Lacans Einsicht an: „Das Unbewusste ist wie eine Sprache strukturiert.“
Das Unbewusste ist keine physiologische Entität, sondern ein symbolischer Raum, der es erlaubt, „vom Unaussprechlichen zu sprechen“. Somit fungiert auch dieser negative Begriff als etwas, das existiert innerhalb des sprachlichen Netzwerks. Die Negation strukturiert das Sein.
Anm. 3. Sigmund Freud, Das Unbewusste (1915). – Das Unbewusste wird als psychische Formation beschrieben, die aus den Mechanismen der Verdrängung entsteht; der Begriff selbst ist jedoch sprachlich konstruiert.
Anm. 4. Jacques Lacan, Écrits (1966), insbesondere „Die Rückkehr des Verdrängten“: „Das Unbewusste ist die Rede des Anderen.“
V. Die sprachliche Hülle als ökologische Schnittstelle
Sprache ist kein bloßes Repräsentationsmittel, sondern eine Grenzvorrichtung (Interface) zwischen Mensch und Welt.
Wenn ein Mensch Fahrrad fährt, interagiert er nicht nur physisch mit einem Objekt, sondern erfährt es zugleich durch den Begriff „Fahrrad“. Die Sprache fungiert als Kartierungsinstrument, das die Dinge in einen Bedeutungshorizont projiziert; nur durch diesen Vorgang kann der Mensch mit der Welt in Beziehung treten.
Daher kann der Mensch die Hülle der Sprache nicht verlassen. Doch gerade diese Hülle ermöglicht den Kontakt mit der Umwelt und dient als formbare Schnittstelle (malleable interface), die neue Seinsweisen hervorbringt. Die Grenze der Sprache ist zugleich die Bedingung ihrer Offenbarung.
Anm. 5. Jakob von Uexküll, Umwelt und Innenwelt der Tiere (1909). – Jedes Lebewesen lebt in seiner eigenen Umwelt; beim Menschen ist sie durch Sprache strukturiert.
Anm. 6. Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen (1923–29). – Der Mensch ist das „symbolische Tier“ und erschließt die Welt ausschließlich durch symbolische Formen.
VI. Schluss
Sowohl Kants Ding an sich als auch Freuds Unbewusstes wurden ursprünglich als das „Unerreichbare“ oder „Unaussprechliche“ eingeführt. Doch im Augenblick ihrer Benennung machte die Sprache sie existent und integrierte sie in das Netzwerk des Denkens. Der Akt der Negation erzeugt Sein – ein Paradox, das die unauflösliche Verbindung von Mensch und Sprache offenbart.
Daher ist der Satz „Der Mensch kann nicht aus der Sprache heraustreten“ kein pessimistischer, sondern bedeutet, dass der Mensch die Welt fortwährend durch Sprache hervorbringt. Sprache ist keine Grenze, sondern der Horizont der Genese.
Anm. 7. Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus (1921), Satz 5.6: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“



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